Karate - Geschichtlicher Hintergrund

Karatedō (japanisch „Weg der leeren Hand“) wurde früher meist nur als Karate bezeichnet und ist unter dieser Bezeichnung noch heute am häufigsten geführt. Der Zusatz dō wird verwendet, um den philosophischen Hintergrund der Kunst und ihre Bedeutung als Lebensweg zu unterstreichen. Bis in die 1930er-Jahre hinein war die Schreibweise 唐手 gebräuchlich, was wörtlich „chinesische Hand“ bedeutet. Das Schriftzeichen 唐 mit der sino-japanischen Lesung tō und der japanischen Lesung kara bezog sich auf das China der Tang-Dynastie (618 bis 907 n. Chr.). Damit waren die chinesischen Ursprünge bereits im Namen der Kampfkunst manifestiert. Aus vermutlich politischen Gründen (Nationalismus) ging man dann in Japan dazu über, die Schreibung 空手, also „leere Hand“, zu verwenden. Das neue Zeichen wurde wie das alte kara gelesen und war auch von der Bedeutung her insofern passend, als im Karate meist mit leeren Händen, also ohne Waffen, gekämpft wird.

Im Deutschen ist bei der Aussprache des Wortes Karate eine Betonung der zweiten Silbe verbreitet. Oft wird sogar wie in mehreren romanischen Sprachen, zum Beispiel im Französischen oder Portugiesischen, auf te betont. Nach der japanischen Aussprache des Wortes dagegen ist eine gleichwertige Akzentuierung jeder Silbe üblich.

 

Ursprünge

Die Legende erzählt, dass der buddhistische Mönch Daruma Taishi (Bodhidharma, in chinesischen Chroniken als „blauäugiger Mönch“ bekannt) aus Persien oder Kanchipuram (Südindien) im 6. Jahrhundert das Kloster Shaolin (jap. Shōrinji) erreicht und dort nicht nur den Ch'an (Zen)-Buddhismus begründet, sondern die Mönche auch in körperlichen Übungen unterwiesen habe, damit sie das lange Meditieren aushalten konnten. So sei das Shaolin Kung Fu (korrekt: Shaolin-Quánfǎ, jap. Kempō/Kenpō) entstanden, aus dem sich dann viele andere chinesische Kampfkunststile (Wushu) entwickelt hätten.

Da Karate um seine chinesischen Wurzeln weiß, betrachtet es sich ebenfalls gerne als Nachfahren jener Tradition (Chan, Bodhidharma, Shaolin), deren Historizität im Dunkeln liegt und unter Historikern umstritten ist. Trotzdem ziert das Bildnis von Daruma so manches Dōjō.

 

Karate in Deutschland

1954 gründete Henry Plée in Paris das erste europäische Budō-Dōjō. Der deutsche Judoka Jürgen Seydel kam auf einem Judo-Lehrgang in Frankreich erstmals bei Meister Murakami mit Karate in Kontakt, den er begeistert einlud, auch in Deutschland zu lehren. Aus den Teilnehmern dieser Lehrgänge entwickelte sich zunächst innerhalb der Judo-Verbände eine Unterorganisation, die Karate lehrte und aus der schließlich im Jahre 1961 der erste deutsche Dachverband der Karateka, der Deutsche Karate Bund hervorging.

Den ersten Karateverein in Deutschland gründete schließlich Jürgen Seydel im Jahr 1957 unter dem Namen „Budokan Bad Homburg“ in Bad Homburg vor der Höhe, in dem Elvis Presley während seiner Armeezeit in Deutschland trainierte.

Die größte Ausbreitung des Karate in Deutschland gab es in den 1970er, 1980er und 1990er Jahren unter Hideo Ochi (bis dieser 1993 den DJKB, den deutschen Ableger der JKA gründete) als Bundestrainer des DKB und der Nachfolgeorganisation DKV als Zusammenschluss verschiedener Stilrichtungen. Ochi hat somit das Karate in Deutschland Ende des 20. Jahrhunderts maßgeblich verbreitet und aufgebaut.

 

Trainingsformen

Kihon (jap. 基本) heißt „Grundlage“ oder „Quelle“, „Ursprung“ (des Könnens) und wird häufig auch als Grundschule des Karate bezeichnet. Es umfasst die grundlegenden Techniken, die das Fundament des Karate bilden. Die einzelnen Techniken werden immer wiederholt, entweder langsam oder schnell, kraftvoll oder leicht/locker. Der Bewegungsablauf der einzelnen Technik wird in alle Bestandteile zerlegt und es wird versucht die Ideallinie der Bewegung zu finden, wobei es immer etwas zu optimieren gibt. Der Bewegungsablauf muss optimal verinnerlicht werden – reflexartig abrufbar, da für Denken, Planen und Handeln in einem realen Kampf zu wenig Zeit ist. Einatmung, Ausatmung, maximale Anspannung des ganzen Körpers im Zielpunkt sind grundlegende Ziele dieses Trainings. Nach asiatischer Vorstellung liegt das Zentrum des Körpers und damit das Kraftzentrum dort, wo idealerweise auch der Körperschwerpunkt liegen sollte. Diesem oft bedeutungsverengend mit Hara (腹, „Bauch“) bezeichneten ideellen Punkt (ca. 2 cm unter dem Bauchnabel) kommt beim Atemtraining besondere Aufmerksamkeit zu (Bauchatmung). Eine gute Balance ist darüber hinaus erstrebenswert und wird oft umschrieben mit dem Finden des „inneren Schwerpunktes“.

 

Kata (型) bedeutet „Form“ oder „Schablone“. Eine Kata ist ein stilisierter und choreographierter Kampf gegen einen oder mehrere imaginäre Gegner, der einem festgelegten Muster im Raum, Embusen genannt, folgt. Verschiedene Stilrichtungen üben im Allgemeinen verschiedene Kata, jedoch gibt es auch viele Überschneidungen, Varianten und unterschiedliche Namensgebungen.

 

Kumite (jap. 組み手 oder 組手) bedeutet wörtlich „verbundene Hände“ und meint das Üben bzw. den Kampf mit einem, selten mehreren Gegnern.

Das Kumite stellt innerhalb des Trainings eine Form dar, die es dem Trainierenden nach ausreichender Übung ermöglicht, sich in ernsten Situationen angemessen verteidigen zu können. Voraussetzung ist das richtige Verstehen und Einüben elementarer Grundtechniken aus dem Kihon und der Kata. Wenn die Ausführung der Technik in ihrer Grundform begriffen wurde, wendet man sie im Kumite an. Die Anwendung im Kumite ist sehr wichtig, da die Ausführung von Techniken im Freikampf nicht der vorgeschriebenen Form entsprechen müssen, da man oftmals bei überraschenden Angriffen sofort von der Kampfhaltung zur Endstellung der Abwehr gelangen muss.

Es gibt verschiedene Formen des Kumite, die mit steigendem Anspruch von einer einzigen, abgesprochenen, mehrfach ausgeführten Technik bis hin zum freien Kampf in ihrer Gestaltung immer offener werden.

Bei Verteidigungstechniken werden hauptsächlich die Arme zu Blocktechniken verwendet. Würfe, Hebel, harte, weiche Blockbewegungen oder auch nur Ausweichen, meist in Kombination mit Schritt- oder Gleitbewegungen. Eine Blockbewegung kann auch als Angriffstechnik ausgeführt werden, was ein sehr gutes Auge voraussetzt; der Angriff des Gegners wird im Ansatz mit einer Abwehrbewegung oder einem Gegenangriff (出会い, deai, „Begegnung, Aufeinandertreffen“) gestoppt.

Beim Angriff wird versucht, die ungedeckten Bereiche bzw. durch die Deckung hindurch den Gegner zu treffen. Es soll möglichst mit absoluter Schnelligkeit ohne vorzeitiges Anspannen der Muskeln konzentriert angegriffen werden, denn erhöhter Krafteinsatz führt während der Bewegung zu Schnelligkeitsverlusten. Der Kraftpunkt liegt am Zielpunkt der Bewegung. Das Prinzip der Angriffstechnik gleicht dem des Pfeiles eines Bogenschützen bei Schlag- und Stoßtechniken und dem einer Peitsche bei geschnappten Techniken.

 

Turniere

Im Zuge der modernen Entwicklung mancher Karate-Schulen von Kampfkunst hin zu Kampfsport werden in einigen Stilrichtungen Karate-Turniere (sowohl Kumite- als auch Kata-Turniere) praktiziert. Da beim Freikampf wegen der hohen Effektivität vieler Techniken bei „echtem“ Kampf hohe Verletzungsgefahr droht, herrschen einerseits sehr strenge Regeln, die u. a. den Schutz der Teilnehmer gewährleisten sollen, und andererseits wird nur ein eingeschränktes Repertoire an Techniken im Wettkampf verwendet. Kampfsport Turniere werden mit Zahnschutz und, je nach Geschlecht, mit Brust- oder Tiefschutz ausgeführt. Weitere Schutzmaßnahmen hängen stark von der Verbandsphilosophie ab. So werden etwa beim größten Verband DKV (Deutscher Karate Verband) außerdem Faust- und Fußschützer sowie Schienbeinschoner verwendet, während beim DJKB (Deutscher JKA Karate Bund) keine weiteren Protektoren erlaubt waren (ab 2013 sind auch Faustschützer vorgeschrieben).

Befürworter von Karate-Wettkämpfen betonen den sportlichen Charakter von Karate und führen die sportlich-praktische Anwendbarkeit an. Kritiker der Karate-Wettkämpfe vertreten die Meinung, dass Wettkämpfe dem wahren Charakter und Geist des Karate-Do widersprechen, und dass durch die stark reduzierte Anzahl verwendeter Techniken das Karate verflacht und degeneriert.

Es handelt sich hierbei im Grunde genommen um verschiedene Sichtweisen: einerseits die traditionelle, die Karate als Kampfkunst sieht, deren letztendliches Ziel die Vervollkommnung der Persönlichkeit ist, und andererseits die moderne sportliche, in der Karate als Kampfsport zu sehen ist, und in der die praktische Anwendung mit sportlichem Charakter erwünscht ist. Eine mögliche Sicht ist, dass der Sportgedanke das Karate bereichert hat. Die Kampfkunst Karate könne mit dem Kampfsport leben, doch der Kampfsport nicht ohne die Kampfkunst Karate

 

Olympischen Spiele

Karate wird bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio erstmals olympische Disziplin sein. Am 3. August 2016 stimmten die IOC Delegierten im Rahmen der 129. IOC-Session in Rio de Janeiro dem Vorschlag der IOC Exekutive zu und nahmen neben Karate auch Sportklettern, Skateboarding, Baseball und Surfing in die Liste der vom IOC anerkannten internationalen Verbände auf (siehe Karate bei den Olympischen Spielen). Viele Verbände, u. a. der DKV oder das Kampfkunst Kollegium, haben begonnen, alte Wettkampfformen und das Punktesystem zu verändern, um so den Karate-Wettkampf populärer und für die Olympischen Spiele geeigneter zu machen.

 

 

 

 Quelle: Wikipedia